Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht, Fachanwalt für Strafrecht Mathias Klose, Yorckstr. 22, 93049 Regensburg

Die Schwerbehindertenvertretung

In Betrieben oder Dienststellen, in denen wenigstens fünf schwerbehinderte Personen, d.h. Personen, bei denen ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 durch das Versorgungsamt festgestellt wurde, oder gleichgestellte Personen, d.h. Personen mit einem GdB von mindestens 30 und erfolgter Gleichstellung durch die Arbeitsagentur, nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, wird nach Maßgabe von §§ 177 ff. SGB IX eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Diese besteht aus der Vertrauensperson und mindestens einem stellvertretenden Mitglied. Die Schwerbehindertenvertretung hat die Aufgabe, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle zu fördern, ihre Interessen zu vertreten steht beratend und helfend zur Seite zu stehen.

Schwerbehindertenvertretungen haben insbesondere darüber zu wachen, dass ...

  • die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt werden,
  • der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 154 SGB IX nachkommt, der Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen,
  • der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 155 SGB IX nachkommt, der Pflicht zur Beschäftigung besonderer Gruppen schwerbehinderter Menschen nachzukommen, etwa Schwerbehinderter, die zur Ausübung der Beschäftigung wegen ihrer Behinderung nicht nur vorübergehend einer besonderen Hilfskraft bedürfen oder die die wegen Art oder Schwere der Behinderung keine abgeschlossene Berufsbildung haben,
  • der Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 164 SGB IX nachkommt, also zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung zu benachteiligen,
  • der öffentliche Arbeitgeber seiner Pflicht aus § 165 SGB IX nachkommt und schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einlädt,
  • der Arbeitgeber nach § 166 SGB IX mit der Schwerbehindertenvertretung und ggf. Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialrat in Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Arbeitgebers eine verbindliche Inklusionsvereinbarung trifft, in der Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen getroffen werden,
  • der Arbeitgeber die Prävention nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchführt bzw. das betriebliche Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IX.

Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen auf Feststellung einer (Schwer-) Behinderung, ihres GdB und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit.

Die Schwerbehindertenvertretung hat verschiedene Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte.

Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung der getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Der weit gefasste Unterrichtungsanspruch des § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX erstreckt sich nicht nur auf einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, sondern auf alle Angelegenheiten, die sich spezifisch auf schwerbehinderte Menschen auswirken. Der Anhörungsanspruch verlangt, dass dem Schwerbehindertenvertreter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird und der Arbeitgeber eine entsprechende Stellungnahme auch zur Kenntnis nimmt. Die Schwerbehindertenvertretung soll Gelegenheit haben, den Arbeitgeber aus ihrer fachlichen Sicht auf mögliche, ggf. nicht bedachte Auswirkungen seiner Entscheidung hinzuweisen. Der Arbeitgeber ist beispielsweise aber nicht verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung vor dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem schwerbehinderten Menschen anzuhören (BAG, 14.03.2012, Az. 7 ABR 67/10). Auch vor einer Entscheidung über die Besetzung von Stellen mit Personalführungsfunktion gegenüber mindestens einem schwerbehinderten Menschen hat der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht zwingend zu unterrichten und anzuhören (BAG, 17.08.2010, Az. 9 ABR 83/09). Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist unwirksam (§ 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX).

Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Abs. 1 SGB IX, d.h. an der Prüfung, ob freie Stellen mit Schwerbehinderten besetzt werden können und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Abs. 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen. Die Schwerbehindertenvertretung hat auch das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen (§ 178 Abs. 4 S. 1 SGB IX). Die Schwerbehindertenvertretung hat u.a. auch das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen (§ 178 Abs. 6 S. 1 SGB IX).

Verletzt oder ignoriert der Arbeitgeber - oder der Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat bzw. der Arbeitsschutzausschuss - diese Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte, verweigert der Arbeitgeber etwa die Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch, die Einsicht in Bewerbungsunterlagen oder unterlässt er die Anhörung vor Ausspruch einer Kündigung, so können die Rechte gerichtlich durchgesetzt werden. Zuständig für den Rechtsschutz von Schwerbehindertenvertretungen sind die Arbeitsgerichte. Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die Schwerbehindertenvertretung in einer Dienststelle des öffentlichen Dienstes, in der Personalvertretungsrecht gilt, errichtet ist (BAG, 30.3.2010, 7 AZB 32/09).

Die Vertrauenspersonen führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Die Vertrauenspersonen dürfen in der Ausübung ihres Amtes nicht behindert oder wegen ihres Amtes nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung (§ 179 Abs. 2 SGB IX). Die Vertrauenspersonen besitzen gegenüber dem Arbeitgeber die gleiche persönliche Rechtsstellung, insbesondere den gleichen Kündigungs-, Versetzungs- und Abordnungsschutz wie ein Mitglied des Betriebs-, Personal-, Staatsanwalts- oder Richterrates (§ 179 Abs. 3 S. 1 SGB IX). Die Vertrauenspersonen werden von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts oder der Dienstbezüge befreit, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 179 Abs. 4 S. 1 SGB IX). Sind in den Betrieben und Dienststellen in der Regel wenigstens 200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt, wird die Vertrauensperson auf ihren Wunsch sogar vollständig freigestellt (§ 179 Abs. 4 S. 2 SGB IX).

Die durch die Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber (§ 179 Abs. 8 S. 1 SGB IX). Die Räume und der Geschäftsbedarf, die der Arbeitgeber dem Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrat für dessen Sitzungen, Sprechstunden und laufende Geschäftsführung zur Verfügung stellt, stehen für die gleichen Zwecke auch der Schwerbehindertenvertretung zur Verfügung, soweit ihr hierfür nicht eigene Räume und sachliche Mittel zur Verfügung gestellt werden (§ 179 Abs. 9 SGB IX).

Wie schon oben in Bezug auf Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte geschildert, können auch die Ansprüche auf Kostentragung oder die Ansprüche auf Zurverfügungstellung von räumlichen und sachlichen Mitteln gegen den Arbeitgeber gegebenenfalls gerichtlich geltend gemacht werden.

 

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