DRV ignoriert EuGH-Entscheidung bei der Betriebsprüfung
Wir vertreten eine Mandantin aus dem Baubereich derzeit in einem Widerspruchsverfahren gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), die aus einer Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV) eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen in Höhe von rund 175.000,- € geltend macht.
Nach Ansicht der DRV Bund sind verschiedene ausländische Subunternehmer, vorwiegend aus Ungarn und aus der Slowakei, bei unserer Mandantin abhängig beschäftigt, so dass unsere Mandantin nun die Pflicht zur Beitragsabfühung nachträglich treffen soll - ein klassicher Fall aus dem Bereich der Scheinselbständigkeit also, jedenfalls nach Auffassung der Betriebsprüfer der Rentenversicherung.
Unabhängig davon, ob die betroffenen Mitarbeiter Beschäftigte oder Selbständige waren, scheitert nach Ansicht unserer Mandantin die Sozialversicherungspflicht jedenfalls daran, dass die betroffenen Mitarbeiter für die Dauer der Tätigkeit für unsere Mandantin im Besitz von A1-Entsendebescheinigungen aus dem jeweiligen Herkunftsland waren. Inhaber einer A1-Entsendebescheinigung sind amtlich bestätigt im Herkunftsland sozialversichert und daher im Einsatzland, hier also in Deutschland, nicht sozialversicherungspflichtig.Leider wurde infolge eines Büroversehens vergessen, die A1-Bescheinigungen von allen Mitarbeitern zu kopieren und unterlagenmäßig zu erfassen. Nachdem die betroffenen Personen mittlerweile nicht mehr in Deutschland tätig oder wohnhaft waren, konnten sie auch nicht kurzfristig insoweit befragt und der Sachverhalt insoweit nicht geklärt werden Die Prüfstelle der DRV Bund in Würzburg ging dem auch nicht weiter nach, sondern erließ einen Betriebsprüfungsbescheid mit der besagten Nachforderung in sechsstelliger Höhe.
Gegen den Bescheid wurde Widerspruch erhoben.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde die Rentenversicherung darauf hingewiesen, dass unter Einschaltung von Anwälten vor Ort versucht werde, die fehlenden A1-Entendebecheinigungen zu beschaffen, ggfs. auch nachträglich ausstellen zu lassen. Spätestens seit der "Alpenrind-Entscheidung" des EuGH (EuGH, Urteil vom 06.09.2018, Az. C-527/16) ist unmissverständlich geklärt, dass A1-Entsendebescheinigungen von Behörden und Gerichten zu beachten sind, und zwar auch, wenn sie erst nachträglich ausgestellt werden.
Die DRV Bund scheint die Rechtsprechung des EuGH nicht zu interessieren. Sie beabsichtigt offenbar, diese zu ignorieren. Begründet wird dies mit einer Entscheidung des Sozialgerichts Regensburg: "Bezüglich der A1-Bescheinigungen ist auf deren Ausstellungsclatum abzustellen und nicht auf die darin ausgewiesenen zurückliegenden Zeiträume (Beschluss des Sozialgerichts Regensburg, Az. S 2 R 8002/12, Beschluss vom 11.01.2017)".
Die von der DRV zitierte Entscheidung des Regensburger Sozialgerichts mag damals durchaus so ergangen sein. Angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Entscheidung allerdings zweifellos obsolet.
Was können Sie daraus lernen?
Lassen Sie sich also von der DRV im Betriebsprüfungsverfahren nicht übertölpeln!
Prüfen Sie die (angeblichen) Argumente genau. Die Rentenversicherung versucht einzig, ihre monetären Interessen durchzusetzen. Wie Sie hier exemplarisch sehen sogar mit Argumenten, die nicht mehr überzeugen werden vor Gericht.