Anspruch auf Versorgung mit einem digitalen Hörgerät
Häufiger Streitpunkt zwischen Versicherten und Krankenkasse ist die Versorgung mit (digitalen) Hörgeräten, konkret die Übernahme bzw. Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten einer Hörgeräteversorgung.
Versicherte haben gem. § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V gegen ihre Krankenversicherung einen Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder gesetzlich ausgeschlossen sind.
Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel - wie einem digitalen Hörgerät - auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Entscheidend ist, ob ein (digitales) Hörgerät nach dem Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt und damit im allgemeinen Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen (analogen) Hörhilfen bietet. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das (digitale) Hörgerät eine bessere Unterscheidung von Worten in Umgebungsgeräuschen, ohne dass dies mit sog. Rückkopplungseffekten verbunden wäre, die bei kostengünstigeren Geräten ansonsten festzustellen sind, ermöglicht und ein deutlich besseres Aufschließen zu den Verständigungsmöglichkeiten hörgesunder Menschen ermöglicht.
Dies gilt auch im Rahmen einer etwaigen Festbetragsregelung. Soweit der Festbetrag für den Behinderungsausgleich objektiv nicht ausreicht, bleibt es bei der Verpflichtung der Krankenkasse zur - von Zuzahlungen abgesehen - kostenfreien Versorgung der Versicherten.
Begrenzt ist der Versorgungsanspruch durch das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Leistungen der Krankenkassen müssen danach “ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein” und dürfen “das Maß des Notwendigen nicht überschreiten”. Ausgeschlossen sind dementsprechend Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist.
Ob und ggfs. mit welchem Hörgerät die Versorgung ausreichend ist, also den bestmöglichen Funktionsausgleich liefert, wird sich in der Regel nur durch ein Sachverständigengutachten beweisen lassen. Einen ersten tauglichen Anhaltspunkt liefert aber zumeist bereits die Testung durch den Hörgeräteakustiker.
Versicherten ist im Ergebnis zu raten, sich von der Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Kosten eines besonderen (digitalen) Hörgeräts durch ihre Krankenkasse nicht abschrecken zu lassen. Vielmehr kann gegen die ablehnende Entscheidung stets Widerspruch erhoben werden. Bleibt auch der Widerspruch erfolglos, steht den Versicherten die Möglichkeit offen, Klage zum Sozialgericht zu erheben.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Sozialrecht gerne zur Verfügung.