Risiko Sozialversicherungspflicht bei Ein-Mann-GmbH oder Ein-Mann-UG
Scheinselbständig ist jemand, der formal selbstständig ist und sein will, aber in seiner tatsächlichen Arbeitspraxis eher wie ein abhängig Beschäftigter arbeitet. Dabei ist auch unerheblich, wie der Vertrag zwischen dem formal Selbständigen und seinem Aufrageber bezeichnet wird (z.B. als freier Dienstvertrag, Werkvertrag, Honorarvertrag, o.ä.) oder inhaltlich ausgestaltet ist. Folge einer Scheinselbständigkeit ist, dass rechtlich ein Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber besteht. Das wiederum bedeutet, dass der Auftraggeber tatsächlich Arbeitgeber ist, die Sozialversicherungsbeiträge und gegebenenfalls Säumniszuschläge nachzuzahlen hat, ebenso die Lohnsteuer. Zudem drohen strafrechtliche Konsequenzen durch § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt).
Diese weitreichenden Konsequenzen sind natürlich auch in der Arbeitswelt bekannt. Deshalb wurde und wird immer versucht, legale Wege zu finden, um das Risiko der Scheinselbständigkeit zu eliminieren.
Jahrelang war das Mittel der Wahl die Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber. Üblicherweise gründete der Selbständige, der nicht nur formal, sondern auch tatsächlich selbständig bleiben wollte, eine GmbH oder eine UG (haftungsbeschränkt) und wurde Alleingesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft, einer sog. „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG“.
Diese GmbH oder UG als „juristische Person“ – und nicht der Selbständige als „natürliche Person“ – schlossen dann den Vertrag mit dem jeweiligen Auftraggeber. Durch diese rechtliche Konstellation war jahrelang klar, dass der Selbständige, der Gesellschafter-Geschäftsführer der „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG“ in seiner Tätigkeit für den Auftraggeber nicht sozialversicherungspflichtig war. Denn das Vertragsverhältnis bestand ja zwischen Auftraggeber und GmbH bzw. UG, nicht zwischen dem Selbständigen selbst und dem Auftraggeber.
Diese Vorgehensweise wurde lange Zeit praktiziert, besonders auch nach Einführung der UG (haftungsbeschränkt) im Jahr 2008. Lange Zeit wurde diese Vorgehensweise auch von der Deutschen Rentenversicherung nicht beanstandet. Weder im Rahmen der Feststellung des Erwerbsstatus (§ 7a SGB IV), noch im Rahmen von Betriebsprüfungen (§ 28p SGB IV).
Erste Änderungen ergaben sich vor einigen Jahren. Die DRV ging dazu über, die zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften wurden mit verschiedenen Begründungen zunehmend ignoriert und auf die tatsächlichen Umstände der Arbeit des Alleingesellschafter-Geschäftsführers der „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG“ für den Auftraggeber abgestellt. Oft endete dies dann in der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses (§ 7 SGB IV) zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und dem Auftraggeber – mit den oben genannten rechtlichen Konsequenzen für den Auftraggeber.
Über die Sozialgerichte konnten diese Entscheidungen der Rentenversicherung in Status- oder Betriebsprüfungsverfahren dann aber in der Regel wieder korrigiert werden. Die Sozialgerichte stellten, aus meiner Sicht völlig korrekt, darauf ab, dass die vertraglichen Beziehung ausschließlich zwischen „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG“ und Auftraggeber bestanden und somit ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Ein-Mann-GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. dem Ein-Mann-UG-Gesellschafter-Geschäftsführer nicht entstehen konnte.
Bis dahin konnte ein Auftraggeber mit großer rechtlicher Sicherheit mit einer „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG“ zusammenarbeiten ohne das – finanziell und strafrechtlich relevante - Scheinselbständigkeitsrisiko.
Bedauerlicherweise änderten im Laufe der Zeit auch manche Sozialgerichte und Landessozialgerichte ihre Meinung, so dass immer unklarer wurde, ob das Risiko der Scheinselbständigkeit durch Zwischenschaltung einer Ein-Mann-GmbH oder -UG ausgeschaltet werden konnte. Die Rechtsprechung der einzelnen Gerichte wurde widersprüchlich, so dass nunmehr das Bundessozialgericht darüber zu entscheiden hatte, ob die Sozialversicherungspflicht durch eine Vertragsbeziehung mit einer Ein-Personen-Kapitalgesellschaft ausgeschlossen ist.
Die ersten Entscheidungen dazu sind im Juli 2023 ergangen. Praxisfremd hat das BSG aber seine auch im Übrigen sozialversicherungsfreundliche Rechtsprechung auch hier fortgesetzt (Urteile vom 22.07.2023, Aktenzeichen B 12 BA 1/23 R, B 12 R 15/21 R und B 12 BA 4/22 R).
Das Bundessozialgericht hat in allen drei Fällen entschieden, dass bei der Bestimmung des Beschäftigungsstatus die spezifischen tatsächlichen Umstände der Tätigkeit entscheidend sind, wie es auch in anderen Statusverfahren der Fall ist. Dies gilt unabhängig davon, dass die Verträge ausschließlich zwischen den Auftraggebern und den Kapitalgesellschaften abgeschlossen wurden. Die Abgrenzung erfolgt vielmehr anhand des tatsächlichen Geschäftsinhalts, der sich aus den klaren Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Umsetzung des Vertrags ergibt, und nicht nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge.
Die Einschaltung einer „Ein-Mann-GmbH“ bzw. „Ein-Mann-UG im Vertragsverhältnis ist damit bis auf Weiteres kein sicherer Weg mehr, um in einem Auftragsverhältnis dem Risiko der Scheinselbständigkeit zu entgehen, vielmehr ist der bislang sichere Weg jetzt so riskant wie die direkte Zusammenarbeit mit einem Selbständigen.
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