Bitte beachten Sie: Aus Kapazitätsgründen können wir derzeit keine neuen Mandate im Bereich des SGB II und SGB XII übernehmen. Vielen Dank für Ihr Verständnis
Sanktionen im Grundsicherungsrecht: Absenkung und Wegfall
Das SGB II erlegt Hartz-IV-Empfängern zahlreiche Pflichten auf. Wird gegen diese Pflichten - zumindest nach Ansicht des Grundsicherungsträgers - verstoßen, wird der betroffene Leistungsempfänger mittels Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengelds II gem. § 31 a bzw. § 32 SGB II sanktioniert.
Da Sanktionen gem. §§ 31 ff. SGB II jedoch - entgegen der Praxis vieler Jobcenter, die gerne und schnell sanktionieren - nur unter überaus strengen rechtlichen Voraussetzungen - vor allem an die zwingend erforderliche Rechtsfolgenbelehrung werden von der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt - möglich sind, lohnt in aller Regel eine Überprüfung des Sanktionsbescheids und gegebenenfalls die Einleitung weiterer rechtlicher Schritte, etwa Widerspruch, Klage und/oder einstweiliger Rechtsschutz.
Sanktionstatbestände
§ 31 SGB II enthält eine Vielzahl verschiedener Sanktionstatbestände, also Verhaltensweise von Leistungsempfängern, die Absenkung und Wegfall des ALG II nach sich ziehen können, namentlich, dass Leistungsberechtigte
- sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem diese ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Absatz 1 Satz 6 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen, § 31 I 1 Nr. 1 SGB II,
- sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d oder ein nach § 16e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern, § 31 I 1 Nr. 2 SGB II,
- eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht antreten, abbrechen oder Anlass für den Abbruch gegeben haben, § 31 I 1 Nr. 3 SGB II,
- nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihr Einkommen oder Vermögen in der Absicht vermindert haben, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung des Arbeitslosengeldes II herbeizuführen, § 31 II 1 Nr. 1 SGB II,
- trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen, § 31 II 1 Nr. 2 SGB II,
- ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld zum Ruhen oder Erlöschen bringen, weil die Agentur für Arbeit das Eintreten einer Sperrzeit oder das Erlöschen des Anspruchs nach den Vorschriften des Dritten Buches festgestellt hat, § 31 II 1 Nr. 3 SGB II,
- die im SGB III genannten Voraussetzungen für das Eintreten einer Sperrzeit erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen, § 31 II 1 Nr. 4 SGB II,
- trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin nicht erscheinen, § 32 SGB II.
In allen Fällen kann eine Absenkung oder ein Wegfall nur dann wirksam angeordnet werden, wenn der Hilfebedürftige für sein Verhalten keinen wichtigen Grund (§ 31 I 2 SGB II) hatte, z.B. plötzliche Krankheit, und er ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen eines möglichen pflichtwidrigen Verhaltens belehrt (§ 31 I 1 SGB II) worden war.
Rechtsfolgen
Liegt ein Fall des § 31 SGB II vor, wird das ALG II in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt (§ 31 a I 1 SGB II).
Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II wird das Arbeitslosengeld II in einer zweiten Stufe um 60 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung gemindert (§ 31 a I 2 SGB II).
Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Arbeitslosengeld II vollständig gekürzt (§ 31 a I 3 SGB II).
Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt jedoch nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Sanktionszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs kann der Träger auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Der Träger hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mindestens 60 Prozent des für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs soll das Arbeitslosengeld II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
Besonderheiten gelten für junge Hartz-IV-Empfänger. Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II unter den in § 31 SGB II genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) beschränkt; die nach § 22 Abs. 1 angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Absatz 1 oder 4 wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert.
Zu beachten ist in jedem Fall auch, dass zwischen der erfolgten Pflichtverletzung und der tatsächlichen Sanktion ein zeitlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig (§ 31 b I 3 SGB II).
Bei einem Meldeversäumnis (§ 32 SGB II) mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs.
Rechtsfolgenbelehrung
Jede Absenkung und jeder Wegfall des Arbeitslosengeldes II und des befristeten Zuschlages gemäß § 31 SGB II setzt zwingend voraus, dass der Leistungsempfänger zuvor vom Jobcenter ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen einer etwaigen Pflichtverletzung belehrt worden war. An die Rechtsfolgenbelehrung stellt die sozialgerichtliche Rechtsprechung überaus strenge Anforderungen.
Nach nunmehr ständiger und unumstrittener Rechtsprechung (z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 53/08 R) muss die Belehrung über die Rechtsfolgen des § 31 SGB II “konkret, verständlich, richtig und vollständig” sein. Erforderlich ist insbesondere eine Umsetzung der in Betracht kommenden Verhaltensanweisungen und möglichen Maßnahmen auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls. Eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung darf sich nicht in einer bloß formelhaften und aufzählungsartigen Wiedergabe des Gesetzestextes des § 31 SGB II erschöpfen, sondern muss dem Betroffenen genau mitteilen, mit welchen Rechtsfolgen er im konkreten Einzelfall zu rechnen hat, wenn er einer Anweisung zuwider handelt. Rechtswidrig ist eine Rechtsfolgenbelehrung aber auch dann, wenn dem Betroffenen lediglich auf einem Merkblatt sämtliche möglichen Sanktionen mitgeteilt werden und er sich selbst „seine Sanktion“ herauspicken muss. Nicht ausreichend sind weiterhin bereits in der Vergangenheit erteilte Rechtsfolgenbelehrungen, auch wenn diese ordnungsgemäß gewesen sein sollten. Auch Rechtsfolgenbelehrung die schon in der Eingliederungsvereinbarung enthalten sind, selbst wenn sie richtig sind, reichen nicht aus, um ein nachfolgendes Verhalten des Leistungsempfängers sanktionieren zu können. Nicht ordnungsgemäß ist eine Rechtsfolgenbelehrung schließlich auch dann, wenn sie rechtlich unrichtig ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Belehrung dem Hilfebedürftigen eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % in Aussicht stellt, später aber eine Absenkung um 60 % erfolgt oder wenn der Betroffene fälschlicherweise über die möglichen Rechtsfolgen des § 66 SGB I belehrt wird, tatsächlich dann aber eine Sanktion auf der Grundlage des § 31 SGB II erfolgt. Nicht ordnungsgemäß ist auch eine Rechtsfolgenbelehrung, die nicht eindeutig formuliert ist, sondern miss- oder verschieden verstanden werden kann (z.B. SG Landshut, Az. S 7 AS 357/10 ER).
Rechtsschutz
Sollten Sie von Ihrem Jobcenter einen Bescheid erhalten, mit dem Ihr Arbeitslosengeld II bzw. Ihr befristeter Zuschlag abgesenkt wird bzw. deren Wegfall angeordnet wird, besteht die Möglichkeit, dagegen Widerspruch zu erheben und anschließend gegebenenfalls Klage zum Sozialgericht. Ergänzend kann ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geboten und sinnvoll sein, um jedenfalls vorläufig die existenzsicherunde und vollständige Leistungsgewährung sicher zu stellen.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Sozialrecht gerne zur Verfügung.
Natürlich sind mir auch Prozesskostenhilfe- und Beratungshilfemandate jederzeit willkommen.