Erwerbsminderungsrente bei Post-COVID
Voraussetzungen, Nachweise und praktische Tipps für Betroffene
Viele Menschen, die eine COVID-19-Infektion überstanden haben, kämpfen noch Monate oder sogar Jahre später mit körperlichen und kognitiven Einschränkungen. Für einige wird der Alltag zur Herausforderung – und die bisherige oder irgendeine Berufstätigkeit schlicht nicht mehr möglich. Spätestens dann stellt sich die Frage: Kann Post-COVID eine Erwerbsminderung und damit einen Rentenanspruch begründen?
Diese Seite erklärt ausführlich:
- was Post-COVID im sozialrechtlichen Sinne bedeutet,
- wann eine Erwerbsminderungsrente möglich ist,
- wie der Antrag erfolgreich vorbereitet wird,
- welche Fehler Betroffene vermeiden sollten,
- und warum eine anwaltliche Begleitung den Unterschied machen kann.
1. Was bedeutet Post-COVID im medizinischen und rechtlichen Kontext?
Unter dem Begriff „Post-COVID-Syndrom“ werden Beschwerden zusammengefasst, die länger als 12 Wochen nach einer SARS-CoV-2-Infektion (Corona) bestehen bleiben und die nicht besser durch andere Erkrankungen erklärt werden können. Dazu zählen u. a.:
- ausgeprägte Erschöpfbarkeit (Fatigue),
- Belastungsintoleranz und Verschlechterung nach geringer körperlicher oder mentaler Aktivität (PEM),
- Atemprobleme oder Kurzatmigkeit,
- Herz-Kreislauf-Symptome,
- Nerven- und Muskelschmerzen,
- Konzentrations- und Gedächtnisprobleme,
- Schlafstörungen, Schwindel oder Kopfschmerzen,
- psychische Begleiterscheinungen wie Überforderung, Angst oder depressive Verstimmungen.
Da kein spezifischer Laborwert eindeutig „Post-COVID“ beweisen kann, ist die Diagnose eine klinische Einschätzung, die auf Symptomen, Ausschluss anderer Ursachen und Verlauf basiert. Für die Rentenversicherung ist daher entscheidend, wie sehr die Beschwerden die Erwerbsfähigkeit einschränken – nicht allein, welche Diagnose im Arztbrief steht.
2. Kann Post-COVID zu einer Erwerbsminderungsrente führen?
Grundsätzlich: Ja.
Ob eine Erwerbsminderungsrente bewilligt wird, hängt jedoch nicht vom Namen der Erkrankung ab, sondern von der konkreten Leistungsfähigkeit der betroffenen Person. Die Rentenversicherung prüft, ob jemand unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes noch:
- 6 Stunden oder mehr täglich arbeiten kann → keine Erwerbsminderung,
- 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten kann → teilweise Erwerbsminderung,
- unter 3 Stunden täglich arbeiten kann → volle Erwerbsminderung.
Bei Post-COVID ist die Bewertung besonders anspruchsvoll, weil Beschwerden oft schwanken, unsichtbar sind und keine objektiven Messwerte zur Verfügung stehen. Das bedeutet: Die Rentenversicherung verlässt sich stark auf medizinische Gutachten, Tagesprotokolle, Verlaufsschilderungen und eine genaue Dokumentation der Einschränkungen.
Die Erfahrung aus unserer anwaltlichen Praxis zeigt:
Viele Anträge scheitern nicht, weil Betroffene „nicht krank genug“ wären, sondern weil der der Nachweis scheitert. Es gilt daher Antrag und gegebenenfalls Widerspruch und erst recht eine Klage sorgfältig zu begründen, um den Nachweis einer Erwerbsminderung führen zu können.
3. Welche Beschwerden sind sozialmedizinisch besonders relevant?
Für die Beurteilung der Erwerbsminderung spielt nicht jedes Symptom dieselbe Rolle. Besonders bedeutsam sind:
3.1 Fatigue und Belastungsintoleranz (PEM)
Diese Beschwerden gehören zu den Hauptgründen, warum Post-COVID-Betroffene ihren Beruf nicht mehr ausüben können. Schon geringe körperliche oder geistige Aktivität kann zu:
- massiver Erschöpfung,
- Leistungsabfall am Folgetag,
- Konzentrationsstörungen,
- Kreislaufproblemen,
- und einer dauerhaften Verschlechterung des Gesundheitszustands führen.
Wichtig: Wer Fatigue hat, ist nicht immer und nicht sofort „erschöpft“, sondern erreicht die Grenzen manchmal erst Stunden später – ein Punkt, den Gutachter oft übersehen.
3.2 Kognitive Einschränkungen
Viele Betroffene berichten von:
- verlangsamtem Denken,
- Wortfindungsstörungen,
- eingeschränkter Merkfähigkeit,
- Problemen beim Strukturieren komplexer Aufgaben.
Für nahezu jeden Beruf – ob körperlich oder geistig – hat das enorme Auswirkungen.
3.3 Atem- und Herzprobleme
Kurzatmigkeit, Tachykardien, Brustdruck oder Schwindel können nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, sondern auch das Fachgutachten prägen.
3.4 Schwankender Tagesverlauf
Ein zentrales Merkmal von Post-COVID ist, dass sich Beschwerden innerhalb eines Tages stark verändern können. Die Fähigkeit, eine Tätigkeit dauerhaft, mobil, zumutbar und arbeitsmarktgerecht auszuüben, ist jedoch entscheidend für die Rentenversicherung.
4. Wie läuft das Verfahren zur Erwerbsminderungsrente bei Post-COVID ab?
4.1 Medizinische Nachweise sammeln
Je besser die Dokumentation, desto größer die Erfolgschancen. Wichtig sind:
- regelmäßige Arztkontakte,
- Facharztbefunde (z. B. Neurologie, Lungenheilkunde, Kardiologie),
- Belastungstests nur, wenn medizinisch unbedenklich (ansonsten kann es zu starken Verschlechterungen kommen),
- funktionale Beschreibungen des Alltags,
- Protokolle zu Belastbarkeit, Symptomen und Aktivitäten.
4.2 Reha als vorgeschaltetes Verfahren
In vielen Fällen erwartet die Rentenversicherung, dass zunächst eine medizinische Rehabilitation versucht wird. Dort wird geprüft:
- welche Belastung möglich ist,
- welche Einschränkungen dauerhaft bestehen,
- ob eine Wiedereingliederung realistisch ist.
Gerade bei Post-COVID ist ein individuelles Belastungsmanagement („Pacing“) wichtig, da Überforderung die Beschwerden verschlimmern kann.
4.3 Rentenantrag stellen
Der Antrag umfasst verschiedene Formulare der DRV, u.a. R0100 (Rentenantrag), R0210 (Feststellung der Erwerbsminderung) und R0215 (Selbsteinschätzungsbogen). Fehler an dieser Stelle führen häufig zu Ablehnungen – oft, weil Betroffene unabsichtlich „zu gut“ wirken oder falsche Schwerpunkte setzen. Aussagekräftige medizinische Unterlagen sollten beigefügt werden.
4.4 Begutachtung
Viele Entscheidungen hängen von dieser Untersuchung ab. Problematisch ist:
- wenige Ärzte sind auf Post-COVID spezialisiert,
- viele Beschwerden sind nicht direkt messbar,
- kurze Untersuchungen bilden den Alltag Betroffener kaum ab,
- Gutachter stehen oft „im Lager“ der DRV.
5. Warum so viele Post-COVID-Anträge scheitern – und wie man das verhindern kann
Die häufigsten Fehler sind:
- fehlende medizinische Dokumentation,
- unklare oder widersprüchliche Angaben,
- fehlende Schilderung der funktionalen Einschränkungen,
- falsche Erwartungshaltung an die Gutachter,
- inkompetente oder parteiliche Gutachter,
- Bagatellisierung von Beschwerden aus Scham oder Gewohnheit, aber auch Übertreibungen oder Simulationen von Beschwerden,
- unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch die Rentenversicherung,
- zu spät eingeholte anwaltliche Unterstützung.
Gerade Post-COVID verlangt eine präzise, konsistente und strategische Darstellung des Gesundheitsbildes.
6. Wie wir als Kanzlei für Sozialrecht Betroffene unterstützen
Unsere Kanzlei ist seit vielen Jahren auf Erwerbsminderungsrenten, sozialmedizinische Begutachtungen und rentenrechtliche Verfahren spezialisiert. Bei Post-COVID-Erkrankten (oder Post-VAC-Erkrankten) übernehmen wir u. a.:
- Beratung vor Antragstellung, damit die Unterlagen vollständig und belastbar sind,
- Durchsicht aller ärztlichen Befunde und Empfehlungen zur Ergänzung,
- Erstellung einer rechtlichen Argumentation, die funktionale Einschränkungen korrekt darstellt,
- Antragstellung
- Widerspruch und Klage, falls der Antrag abgelehnt wurde,
Betroffene müssen diesen komplizierten Weg nicht alleine gehen. Gerade bei Post-COVID lohnt sich eine fachkundige Vertretung, weil die Erkrankung in vielen Fällen nicht ausreichend verstanden wird und sozialmedizinisch schnell falsch eingeschätzt wird.
7. Wann sollte man sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen?
Eine Beratung ist besonders sinnvoll, wenn:
- Eine mehrmonatige Arbeitsunfähigkeit vorliegt wegen Post-Covid, Long-Covid oder Post-Vac und ein Rentenantrag beabsichtigt ist,
- die Bundesagentur für Arbeit oder Krankenkasse zur Reha- oder Rentenantragstellung auffordert,
- die behandelnden Ärzte zur Antragstellung raten,
- die Rentenversicherung den Antrag abgelehnt hat und Widerspruch erhoben werden soll oder auch
- der Widerspruch zurückgewiesen wurde und eine Klage zum Sozialgericht zu prüfen ist.
Je früher wir einbezogen werden, desto zielgerichteter können wir den Prozess steuern.
8. Fazit: Post-COVID kann eine Erwerbsminderung begründen – aber der Weg dorthin ist oft nicht einfach
Post-COVID (oder auch Long-COVID und Post-VAC) ist eine reale, komplexe und häufig unterschätzte Erkrankung. Ihre Auswirkungen können so gravierend sein, dass eine Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich ist. Doch gerade weil die Beschwerden schwer messbar sind, werden viele Anträge zunächst abgelehnt und Widersprüche als unbegründet zurückgewiesen.
Mit einer guten Vorbereitung, sorgfältigen medizinischen Nachweisen und einer klaren rechtlichen Strategie bestehen jedoch sehr gute Chancen, eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente zu erhalten.
Unsere Kanzlei für Sozialrecht steht Betroffenen mit Erfahrung, Fachwissen und und dem erforderlichen Verständnis und Einfühlungsvermögen zur Seite.
Für Ihre Fragen rund um die Erwerbsminderungsrente stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
