Nötigung
Die Nötigung (§ 240 StGB) ist kein reines Verkehrsdelikt, begegnet jedoch häufig im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, z.B. das Erzwingen des Überholens durch dichtes Auffahren und Lichthupe, Drängeln oder “Blinker links” oder das Ausbremsen, das Blockieren der Fahrbahn um einen anderen am Weiterfahren oder Überholen zu hindern.
240 StGB (Nötigung):
“(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung oder zur Eingehung der Ehe nötigt,
2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.”
Der Nötigungserfolg kann grundsätzlich ein Handeln, Dulden oder Unterlassen jeder Art sein. Weisen die abgenötigte Handlung, Duldung oder Unterlassung einen Vermögensbezug auf, kommt auch Erpressung (§ 253 StGB) in Betracht, besteht ein Sexualbezug, kommen Sexualstraftaten in Betracht, insbesondere die sexuelle Nötigung (§ 177 I StGB). Wird die Nötigung durch Einsperren begangen, kommt Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) in Betracht. Wird jemand etwa zur Eheschließung genötigt, kommt ein besonders schwerer Fall der Nötigung (Abs. 4) in Betracht. Richtet sich die Nötigungshandlung - Gewalt bzw. Drohung mit einem empfindlichen Übel - gegen einen Amtsträger, der zur “Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist”, also vor allem Polizeibeamte, kommt auch Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) in Betracht. Wird jemandem “nur” gedroht, und zwar mit “der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens” ohne dass der Drohende dabei ein bestimmtes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Bedrohten erreichen möchte, liegt keine Nötigung vor, sondern Bedrohung (§ 241 StGB).
Problematisch ist im Zusammenhang mit einer möglichen Nötigung häufig die “Verwerflichkeitsklausel” des Abs. 2, nach der eine Nötigung nur dann rechtswidrig ist, wenn sich das Verhältnis zwischen Nötigungsmittel - Gewalt bzw. Drohung mit einem empfindlichen Übel - und Nötigungserfolg - die beabsichtigte Handlung, Duldung bzw. Unterlassung - als verwerflich ansehen lässt. Die Rechtsprechung bejaht die Verwerflichkeit bei “sozial-ethischer Missbilligung”, bei “Sozialwidrigkeit” oder bei “sozialer Unerträglichkeit”.
Wann genaue eine Nötigung verwerflich ist, kann jedoch nur im Einzelfall anhand der gesamten Tatumstände gesagt werden. Als verwerflich eingestuft wurden etwa die eingangs genannten Beispiele des Erzwingens des Überholvorgangs durch dichtes Auffahren und Lichthupe, das Blockieren der Fahrbahn um einen anderen am Weiterfahren zu hindern, das “Angebot” eines Kaufhausdetektivs an ein Mädchen, von einer Strafanzeige gegen Durchführung des Geschlechtsverkehrs abzusehen oder die Aufforderung an eine bestimmte Person, ein bestimmtes rechtmäßiges Verhalten zu unterlassen, da andernfalls Körperliche Gewalt ausgeübt würde.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Andohung, ansonsten die Promotion Scheitern zu lassen,
- Blockieren eines geparkten Pkw,
- Einscheren unter Missachtung des Sicherheitsabstands,
- Erzwingen bzw. Verhindern des Überholens,
- Rechtsabbiegen vor einem überholten Radfahrer, der geradeaus fahren will,
- schikanöses Abbremsen,
- Sperrung eines Weges,
- Unbrauchbarmachen der Telefonleitung,
- Zufahren auf Personen, damit diese “Platz machen”.
Hingegen nicht als Gewalt i.S.d. Nötigung erachtet wurden zum Beispiel:
- Freihalten eines Parkplatzes (str.),
- Gehen auf der Fahrbahn in Fahrtrichtung,
- Hupen.
Die Nötigung wird mit Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen bestraft. Handelt es sich um einen besonders schweren Fall der Nötigung (§ 240 Abs. 4 StGB) kommt Geldstrafen nicht mehr in Betracht, sondern nur Freiheitsstrafe.
Ein Tagessatz entspricht in der Regel rund einem Dreissigstel des Nettomonatseinkommens. Das bedeutet, ein Angeklagter, der netto rund € 2.400,00 monatlich verdient und zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt wird, muss insgesamt eine Geldstrafe in Höhe von € 8.000,00 (€ 2.400 / 30 x 100) bezahlen. Kann der Betroffene die Geldstrafe nicht in einem Betrag bezahlen, kann Ratenzahlung beantragt werden. Nötigung verjährt gemäß § 78 III Nr. 4 StGB in fünf Jahren.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Strafrecht gerne zur Verfügung.