Strafvollstreckung
Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, das den Betroffenen zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt, erhält dieser, wenn er sich auf freiem Fuß und nicht bereits in Haft befindet, zunächst die Ladung zum Strafantritt in einer bestimmten Justizvollzugsanstalt innerhalb relativ kurzer Zeit. Hier kann, wenn wichtige Gründe vorliegen, ein Antrag auf Vollstreckungsaufschub (§ 456 StPO) gestellt werden, um den Zeitpunkt des Strafantritts zu verschieben. Verbüßt der Betroffene dann seine Freiheitsstrafe, kann versucht werden, die Vollstreckungsdauer zu verkürzen, konkret durch einen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes (§ 57 StGB). Bei betäubungsmittelabhängigen Verurteilten kann sich die Möglichkeit von “Therapie statt Strafe” (§ 35 BtmG) bieten, um die Strafvollstreckung zurück zu stellen.
Vollstreckungsaufschub, § 456 StPO
Gemäß § 456 I StPO kann auf Antrag des Verurteilten die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aufgeschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, ausserhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen. Der Vollstreckungsaufschub ist zeitlich begrenzt. Er darf vier Monate nicht übersteigen und kann auch an eine Sicherheitsleistung oder an andere Bedingungen geknüpft werden. Der Antrag auf Vollstreckungsaufschub ist bei der zuständigen Strafvollstreckungsbehörde zu stellen, also bei der Staatsanwaltschaft, die die Freiheitsstrafe vollstreckt. Der Antrag gemäß § 456 StPO sollte möglichst schnell gestellt werden, da er keine aufschiebende Wirkung besitzt und der Vollstreckbarkeit der Freiheitsstrafe nicht entgegensteht. Solange also über den Antrag nicht entschieden ist, muss die Strafhaft entsprechend der Ladung zum Strafantritt angetreten werden, ansonsten wird der Strafantritt zwangsweise durchgesetzt.
Ausserhalb des Strafzwecks liegende erhebliche Nachteile sind Folgen persönlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, die über das gewöhnliche Strafübel hinausgehen und durch den Aufschub vermeidbar wären, etwa schwere Erkrankung des Ehepartners bei unversorgten Kindern, bevorstehender Ausbildungsabschluss oder zwingende Anwesenheit eines Selbständigen in seinem Betrieb.
Gegen eine ablehnende Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde über den Antrag auf Vollstreckungsaufschub kann das zuständige Gericht angerufen werden. Gegen dessen Entscheidung kann sofortige Beschwerde erhoben werden.
Zwei-Drittel-Strafe, § 57 I StGB
Gemäß § 57 I StGB setzt das Gericht, die Strafvollstreckungskammer, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind, dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und die verurteilte Person einwilligt. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.
Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine vorzeitige Haftentlassung durch Bewilligung der 2/3-Strafe “verantwortet” werden kann, ist eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des erlittenen Strafvollzugs für das künftige Leben des Betroffenen, insbesondere auch, ob künftig Straffreiheit erwartet werden kann, und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit. Bei der Prognose bezüglich der künftigen Straffreiheit des Betroffenen genügt die naheliegende Chance dafür. Kriterien im Rahmen der Abwägung können sein, ob und inwieweit sich der Verurteilte unter Vollzugslockerungen bewährt hat oder ob er erfolgreich eine Therapie absolviert hat. Bei Erstverbüßern wird in der Regel vermutet, dass der Strafvollzug seine Wirkung gezeigt hat und unter diesem Eindruck von dem Verurteilten in Zukunft keine Straftaten mehr zu erwarten sind.
Halbstrafe, § 57 II StGB
Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht, die Strafvollstreckungskammer, gemäß § 57 II StGB die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen, und die übrigen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB (2/3-Strafe) erfüllt sind.
Zurückstellen der Strafvollstreckung, § 35 BtmG
Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, dass er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges gemäß § 35 BtmG die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.
Voraussetzung des § 35 BtmG - “Therapie statt Strafe” - ist, dass der Betroffene die Tat, wegen derer er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Die Abhängigkeit muss kausal für die begangene Straftat sein. Insbesondere Betäubungsmitteldelikte kommen hier in Betracht, aber auch Delikte der Beschaffungskriminalität, etwa Diebstahl, Unterschlagung oder Raub. Eine bloße Abhängigkeit reicht für eine Zurückstellung nach § 35 BtmG aber nicht aus, es muss einen direkten oder indirekten Zusammenhang zwischen Straftat und Abhängigkeit geben.
Weiterhin sind die Kostendeckungszusage des zuständigen Sozialversicherungsträgers erforderlich, in der Regel die Rentenversicherung, sowie eine Aufnahmebestätigung und gegebenenfalls der angedachte Aufnahmetermin der Reha-Einrichtung, in der die Therapie durchgeführt werden soll.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Fachanwalt für Strafrecht gerne zur Verfügung.