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"Ihr korrupten Hampelmänner" - Meinungsfreiheit oder strafbare Beleidigung von Polizisten?

Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Recht, das es uns ermöglicht, unsere Gedanken und Ansichten frei zu äußern. Die Meinungsfreiheit endet regelmäßig dort, wo andere Rechtsgüter beeinträchtigt werden, zum Beispiel das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ob eine Äußerung noch von der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt oder schon die Grenze zur Strafbarkeit (§ 185 StGB) überschritten hat, ist häufig nicht leicht zu beurteilen. So auch in einem aktuellen Fall aus der Kanzlei.

In einem interessanten Revisionsverfahren hat der 4. Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts die Verurteilung eines Mandanten wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB bedauerlicherweise bestätigt. Unser Mandant hatte in einer polizeilichen Vernehmungzwei anwesende Polizeibeamte als "korrupte Hampelmänner" bezeichnet. Diese Äußerung hielt das Bayerische Oberste Landesgericht (Az. 204 StRR 160/23), wie zuvor das Landgericht Regensburg (Az. 4 Ns 707 Js 23785/21), für nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt:

"Bei der Äußerung „Ihr korrupten Hampelmänner“ handelt es sich nach dem Wortlaut und den für die Rezipienten erkennbaren Begleitumständen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.1998, 1 BvR 590/96, juris, Rn. 17) um eine hinreichend klare Äußerung. Diese ist eindeutig und lässt nur die Deutung zu, dass der Angeklagte die beiden Polizeibeamten wegen der für den Angeklagten unzufriedenstellend verlaufenden Vernehmung kritisierte und in ihrer persönlichen Ehre herabsetzte. Andere Deutungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.04.1990, 1 BvR 40/86, juris, Rn. 28) scheiden aus [...]

Dies zugrunde gelegt ist vorliegend keine Schmähkritik gegeben. Vielmehr stand die Äußerung „Ihr korrupten Hampelmänner“ in unmittelbarem Zusammenhang mit der gerade durchgeführten polizeilichen Amtshandlung der Vernehmung des Angeklagten. Dieser war nach den Ausführungen beider Zeugen während der Vernehmung im Blick auf Nachfragen der Polizeibeamten immer lauter und aufbrausender geworden, schließlich aufgesprungen und zur Tür gegangen. Hierbei fiel die beleidigende Äußerung. Der erforderliche Bezug zu einer Auseinandersetzung in der Sache war damit gegeben. Nicht die Diffamierung, sondern die Kritik am Sachverhalt stand im Vordergrund [...]

Aus dem Nichtvorliegen einer unabhängig von einer Abwägung strafbaren Antastung der Menschenwürde, Schmähung oder Formalbeleidigung folgt noch keine Vorfestlegung dahingehend, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht bei der dann gebotenen Abwägungsentscheidung zurückzutreten habe. Eine solche Vorfestlegung ergibt sich auch nicht aus der Vermutung zugunsten der freien Rede. Diese Vermutung zielt insbesondere darauf, der Meinungsfreiheit dann zur Durchsetzung zu verhelfen, wenn es sich bei einer Äußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage handelt. Sie ist Ausfluss der schlechthin konstituierenden Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung, deren Lebenselement der ständige Kampf der Meinungen ist. Als solche begründet die Vermutungsregel keinen generellen Vorrang der Meinungsfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsschutz. Aus ihr folgt aber, dass auch dann, wenn Meinungsäußerungen die Ehre anderer beeinträchtigen und damit deren Persönlichkeitsrechte betreffen, diese nur nach Maßgabe einer Abwägung sanktioniert werden können. Dabei ist diese Abwägung offen und verlangt eine der konstitutiven Bedeutung der Meinungsfreiheit Rechnung tragende Begründung in Fällen, in denen Äußerungen im oben genannten Sinne im Wege der Abwägung hinter dem Persönlichkeitsschutz zurücktreten sollen. Darüber hinaus können sich hieraus auch für die Konfliktbewältigung im Einzelnen Vorrangregeln ergeben. Eine Asymmetrie zwischen den Grundrechten bei der Abwägung insgesamt ergibt sich hieraus jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020, 1 BvR 362/18, juris, Rn. 15). Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion ist dann allerdings - wie es der Normalfall für den Ausgleich von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ist - eine grundrechtlich angeleitete Abwägung, die an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Strafbarkeitsvoraussetzungen des Strafgesetzbuchs, insbesondere die Begriffe der "Beleidigung" und der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" anknüpft. Hierfür bedarf es einer umfassenden Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der die Äußerung erfolgte (BVerfG, Beschluss vom 19.05.2020, 1 BvR 362/18, juris, Rn. 25).
Diese Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung des Angeklagten einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits ergibt, dass die Äußerung des Angeklagten nicht durch die Meinungsfreiheit gerechtfertigt ist [...]

Dieser Aufklärung dienten die Rückfragen, die den Angeklagten schließlich so verärgerten, dass er sich zu der Äußerung „korrupte Hampelmänner“ hinreißen ließ. Hierbei handelt es sich um eine die Polizeibeamten massiv abwertende Bezeichnung, da Bestechlichkeit einer der gravierendsten Vorwürfe ist, der einem Beamten zur Last gelegt werden kann. Verstärkt wird der Vorwurf, korrupt zu sein, durch die zusätzliche Bezeichnung als Hampelmänner, was im vorliegenden Zusammenhang vom Senat so verstanden wird, dass Dritte an der Schnur ziehen und die Beamten die gewünschten Bewegungen machen, also hier die Ermittlungen gegen „Beamtenkollegen“ boykottieren. „Korrupt“ bedeutet auch, dass sie dafür eine Gegenleistung erhalten hätten. Derartige Vorwürfe sind nicht zu rechtfertigen, auch nicht durch die Verärgerung, die beim Angeklagten eingetreten ist, weil er zur Auffassung gelangte, dass seinen Vorwürfen nicht ausreichend nachgegangen werde. Bei der vorliegenden Abwägung wurde auch das vorhandene „Machtgefälle“ zwischen den beiden Polizeibeamten einerseits und dem in Haft befindlichen Angeklagten andererseits berücksichtigt. Allerdings kann auch dieses die Äußerung nicht rechtfertigen. Insgesamt ist die Äußerung des Angeklagten, die Beamten seien „korrupte Hampelmänner“, nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt und damit nicht gemäß § 193 StGB gerechtfertigt."

 

Beschluss des BayObLG vom 19.07.2023, Az. 204 StRR 160/23.

 

Ergänzung:

§ 185 StGB
"Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

§ 193 StGB
"Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht."

Art. 5 GG
"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung."

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