Betriebsprüfung (§ 28p SGB IV)
Die Träger der Rentenversicherung prüfen gem. § 28p SGB IV bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Tatsächlich wird der gesetzlich vorgesehene Prüfturnus zwar nicht immer eingehalten, geprüft - wenn auch in mit größeren zeitlichen Abständen - wird aber immer.
Verfahren bei der Betriebsprüfung
Die verfahrensrechtlichen Einzelheiten der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV sind insbesondere in §§ 7 ff. der Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (BVV) geregelt. Die Prüfung nach § 28p SGB IV erfolgt grundsätzlich nach vorheriger Ankündigung durch die Versicherungsträger. Die Ankündigung soll möglichst einen Monat, sie muss jedoch spätestens 14 Tage vor der Prüfung erfolgen. Das Ergebnis der Prüfung ist dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen; die Mitteilung soll innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Prüfung dem Arbeitgeber zugehen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen insoweit Verwaltungsakte (Beitragsbescheide bzw. Prüfbescheide) zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Die Mitteilung ist vom Arbeitgeber bis zur nächsten Prüfung aufzubewahren. Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung prüfen, üblicherweise unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Rentenversicherungsprüfung, selbst.
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Prüfhilfen zu leisten. Abrechnungsverfahren, die mit Hilfe automatischer Einrichtungen durchgeführt werden, sind in die Prüfung einzubeziehen. Zu prüfen sind auch steuerberatende Stellen, Rechenzentren und vergleichbare Einrichtungen, die im Auftrag des Arbeitgebers oder einer von ihm beauftragten Person Löhne und Gehälter abrechnen oder Meldungen erstatten.
Beitragsnachforderung und Säumniszuschläge nach durchgeführter Betriebsprüfung
Häufig kommt es aufgrund von Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV zu Beitragsnachforderungen.
Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass für einen Mitarbeiter - entgegen der Ansicht des Arbeitgebers - von einem beitragspflichtigen unselbständigen Beschäftigungsverhältnis (§ 7 SGB IV) auszugehen ist und nicht etwa von einer selbständigen Tätigkeit (“Scheinselbständigkeit”) oder einem nur geringfügigen Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 8 SGB IV. Auch abgeschlossene Werkverträge werden oftmals dahingehend geprüft, ob es sich um “echte Werkverträge” handelt oder um “Scheinwerkverträge” handelt, durch deren Abschluss sozialversicherungsrechtliche Beitragspflichten umgangen werden sollen. In diesem Fällen spricht man von illegaler Beschäftigung.
Auch wenn es sich aber um eine legale Beschäftigung handelt, können sich Beitragsnachforderungen ergeben, beispielsweise wenn die prüfende Rentenversicherung glaubt, dass einem Arbeitnehmer zu wenig Lohn bezahlt worden ist.
Wichtig ist, dass, wenn ein Zeitraum bereits einmal geprüft wurde, ein erster Betriebsprüfungsbescheid nach § 28p SGB IV erst nach § 45 SGB X zurückgenommen werden muss (str.), bevor zum selben Prüfzeitraum eine weitere Beitragsnachforderung erhoben werden darf; unterlässt der betriebsprüfende Versicherungsträger dies, ist der neue Bescheid rechtswidrig.
Häufig “im Visier” einer Betriebsprüfung stehen z.B. Baubetriebe, Gastronomiebetriebe, Dienstleister, Speditionen, die selbständige Lkw- oder Transportfahrer beschäftigen, Wachdienste, die selbständige Wach-/Sicherheitsmitarbeiter beschäftigen oder Betriebe in der Baubranche, die mit selbständigen Subunternehmern aus dem Bau- oder sonstigen Handwerksbereich zusammenarbeiten oder sich sonstiger, externer Dritter zur Auftragserledigung bedienen.
Seit einiger Zeit treffen v.a. kleinere GmbHs und Familien-GmbHs erhebliche Nachforderungen für die Tätigkeit ihrer Gesellschafts-Geschäftsführer. Entgegen jahrzehntelanger Praxis sind diese nach Auffassung der DRV nun häufig als abhängig Beschäftigte zu qualifizieren, für die die Gesellschaft Sozialversicherungsbeiträge abführen soll, und nicht als Selbständige. Begründet wird dies in aller Regel pauschal mit der Aufgabe der "Kopf und Seele Rechtsprechung" durch das Bundessozialgericht (BSG).
Schließlich ist auch die "Ein-Mann-Problematik" nicht zu übersehen. Denn selbst wenn Verträge mit Kapitalgesellschaften, d.h. Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder Unternehmergesellschaften (Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) werden von der DRV im Rahmen von Betriebsprüfungen immer wieder ignoriert, wenn es sich um ein-Mann-GmbHs oder ein-Mann-UGs handelt, diese also nur aus dem Gesellschafter-Geschäftsführer bestehen. Es wird in solchen - völlig legitimen - Vertragskonstellationen immer wieder versucht, ein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und dem Auftraggeber der Gesellschaft zu konstruieren. Gelingt dies nicht wird vereinzelt dann sogar versucht, zwischen der Gesellschaft und deren Auftraggeber eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung zu konstruieren mit der Folge, dass zwischen Gesellschaft und Gesellschafter-Geschäftsführer ein Arbeitsverhältnis zustande kommt und die Gesellschaft die Sozialversicherungsbeiträge des rechtswidrig überlassenen Arbeitnehmers tragen soll (§§ 9, 10 AÜG).
Zu den Beitragsnachforderungen kommen oftmals auch Säumniszuschläge. Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen, auf 50,00 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV), was 12 % pro Jahr entspricht.
Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, wie im Falle einer sozialrechtlichen Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Verschuldet ist die Unkenntnis nur und erst, wenn der Beitragsschuldner mindestens bedingten Vorsatz hatte, Fahrlässigkeit ist nicht ausreichend.
Unabhängig von den Säumniszuschlägen gemäß § 24 SGB IV besteht bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen ein besonderes, zusätzliches finanzielles Risiko für Arbeitgeber, das Beitragsnachforderungen vervielfachen und auf diese Weise zum existenziellen Risiko werden kann. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nämlich nicht gezahlt worden, gilt gemäß § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Von diesem Nettoarbeitsentgelt ausgehend wird dann das Bruttoarbeitsentgelt errechnet, aus dem sich dann letztlich die vom Arbeitgeber nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge berechnen.
Wurde beispielsweise an einen (Schein-) Selbständigen netto € 2.500,- im Monat bezahlt, errechnen sich so - unabhängig von den ggf. hinzutretenden Säumniszuschlägen - nachzuentrichtende Beiträge zur Sozialversicherung (Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung und Pflegeversicherung) von fast € 1.900,-.
Verjährung von Beitragsansprüchen
Die Verjährung von Ansprüchen auf Sozialversicherungsbeiträge tritt nach vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind, ein. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren jedoch in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 SGB IV). Anders als im Zivilrecht ist die Verjährung im Sozialrecht von Amts wegen zu beachten, d.h. der Betroffene muss sich nicht ausdrücklich auf die Verjährung des gegen ihn gelten gemachten Anspruchs berufen.
Nicht zuletzt aufgrund der sehr langen Verjährungsfrist im Falle des vorsätzlichen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen unterstellen die prüfenden Rentenversicherungsträger dem Betroffenen regelmäßig Vorsatz. Genauso wird dann in Bezug auf Säumniszuschläge regelmäßig unterstellt, dass keine unverschuldete Unkenntnis von der Beitragspflicht vorlag, z.B. wenn streitig ist, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, mit der Begründung, dass der betroffene Arbeitgeber ja ein Statusanfrageverfahren hätte durchführen können, um die Beitragspflicht zu klären.
Die Verjährung ist für die Dauer einer Betriebsprüfung beim Arbeitgeber gehemmt (§ 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV), ausser die Prüfung wird unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die prüfende Stelle zu vertreten hat (§ 25 Abs. 2 S. 4 SGB IV). Die Verjährung wird aber nur gehemmt, wenn tatsächlich eine Betriebsprüfung vorgenommen wird; bloße Vorbereitungshandlungen, gerade auch nur versicherungsinterne Handlungen, genügen nicht. Auch Ermittlungsverfahren oder sonstige Verfahren können die Verjährungshemmung nicht herbeiführen.
Rechtsschutz: Widerspruch, Klage und Eilverfahren
Gegen Beitragsbescheide und Prüfbescheide, die infolge einer Betriebsprüfung gem. § 28p SGB IV ergehen, kann Widerspruch erhoben werden und gegebenenfalls Klage zum Sozialgericht erhoben werden.
Zu beachten ist jedoch, dass Widerspruch und Klage hier keine aufschiebende Wirkung besitzen. D.h. die Beitragsforderungen können - und werden in der Praxis - trotz Einlegung von Widerspruch bzw. trotz Erhebung der Klage vollstreckt werden. Die (nach-) geforderten Beiträge sind bis zum drittletzten Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt (Beispiel: Bescheid vom 16.08.2020 - Fälligkeit der Forderung am 28.09.2020), an die zuständige Einzugsstelle zu bezahlen.
Es müssen daher erforderlichenfalls ergänzende Maßnahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes ergriffen werden, zunächst ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der prüfenden DRV und ggf. auch ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG vor dem Sozialgericht, insbesondere wegen einer unbilligen Härte, was der Fall ist, wenn das sofortige Betreiben der Beitragsnachforderung die Insolvenz und/oder die Zerschlagung des Geschäftsbetriebs zur Folge hätte bzw. zumindest den Fortbestand des Betriebs gefährdet.
Nebenfolge der Betriebsprüfung: Strafverfahren
Neben sozialrechtlichen Beitragsnachforderungen drohen betroffenen Arbeitgebern nach einer Betriebsprüfung gem. § 28p SGB IV häufig u.a. auch strafrechtliche Konsequenzen.
Kommen die Betriebsprüfer zu der Einschätzung, dass gezielt Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt wurden, z.B. durch die Behandlung eines Mitarbeiters als Selbständigen, während tatsächlich ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, also eine Scheinselbständigkeit, wird in der Regel ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) eingeleitet.
Für Ihre Fragen stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt, Fachanwalt für Sozialrecht und Fachanwalt für Strafrecht gerne zur Verfügung.