Sozialgerichtliches Mastozytose-Gutachten: GdB 50
Die Anerkennung eines angemessenen Grads der Behinderung (GdB) ist für viele Betroffene von großer Bedeutung, da sie mit weitreichenden rechtlichen Vorteilen verbunden ist. Dennoch erleben wir in der anwaltlichen Praxis häufig, dass Anträge von den Versorgungsbehörden nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft und zu niedrig bewertet werden, gerade wenn es um seltenere Erkrankungen geht, etwa um die systemische Mastozytose. Ein aktueller Fall aus uznserer Kanzlei vor dem Sozialgericht (SG) Detmold zeigt exemplarisch, dass eine gerichtliche Überprüfung in solchen Fällen lohnenswert ist.
Unsere Mandantin leidet an mehreren erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, darunter Bandscheibenvorfälle sowie eine kutane und eine indolente systemische Mastozytose. Diese Erkrankungen gehen - wie Betroffene nur zu gut wissen - mit einer Vielzahl von Symptomen einher, die verschiedene Funktionssysteme betreffen, insbesondere das Immunsystem, die Haut, das Herz-Kreislauf-System sowie die Psyche.
Trotz umfangreicher medizinischer Nachweise erkannte die zuständige Versorgungsbehörde lediglich einen GdB von 30 an. Eine nähere Begründung für diese Einschätzung fehlte weitgehend. Im Klageverfahren vor dem SG Detmold, das die Feststellung eines GdB von 50 zum Ziel hat, wurde auf die spezifischen Auswirkungen der systemischen Mastozytose hingewiesen, insbesondere darauf, dass die Krankheit nicht nur das Funktionssystem „Haut“ betrifft, sondern eine weitaus umfassendere gesundheitliche Belastung mit sich bringt. Dennoch bestätigte die Behörde ihre ursprüngliche Entscheidung, ohne sich substanziell mit den vorgelegten medizinischen Nachweisen auseinanderzusetzen.
Das Sozialgericht Detmold hat in dem Verfahren (S 19 SB 340/24) drei medizinische Sachverständigengutachten eingeholt, in den Fachbereichen Orthopädie, Dermatologie und Innere Medizin/Rheumatologie. Diese bei uns am 30. Januar eingegangenen Gutachten, kamen nun zu dem Ergebnis, dass der GdB von 50 zu bejahen ist. Die Gutachten stimmen voll mit unserer Argumentation im Klageverfahren überein. Die Gutachten berücksichtigen die vielschichtigen Auswirkungen der systemischen Mastozytose und die erheblichen funktionellen Einschränkungen, die sich für unsere Mandantin daraus ergeben.
Damit ist klar: Die ursprüngliche Bewertung der Behörde, hier der Kreis Herford, war unzutreffend. Die Klage wird somit höchstwahrscheinlich erfolgreich sein, da die Verwaltung in sozialgerichtlichen Verfahren die Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen im Regelfall übernimmt.
Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass sich die behördliche Einschätzung des GdB nicht immer als korrekt erweist. Insbesondere bei seltenen oder komplexen Erkrankungen ist es nicht ungewöhnlich, dass die Versorgungsbehörden die Auswirkungen der Krankheit nicht ausreichend erfassen, sei es mangels näherer Sachkenntnis, mangels Erfahrung oder mangels ausreichender Sorgfalt. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze sind für die Beurteilung des GdB zwar eine wichtige Orientierung, doch sie ersetzen nicht die notwendige Einzelfallbetrachtung. Gerade wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen mehrere Funktionssysteme betreffen, ist eine differenzierte Bewertung erforderlich – ein Aspekt, der in Verwaltungsverfahren häufig nicht hinreichend beachtet wird.
Betroffene, deren GdB zu niedrig festgesetzt wurde, sollten daher prüfen lassen, ob ein Widerspruch oder eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Oftmals kann bereits ein gut begründetes Widerspruchsverfahren zu einer Korrektur führen. Falls nicht, kann die sozialgerichtliche Überprüfung – wie dieser Fall zeigt – zu einem deutlich besseren Ergebnis führen.