
Strafanzeige als Retourkutsche – Psychologin zu Unrecht beschuldigt
Es gibt Fälle, in denen das Strafrecht instrumentalisiert wird, um anderweitige Ziele zu erreichen. Genau so ein Fall landete kürzlich in unserer Kanzlei: Eine Psychologin, gerichtlich bestellte Gutachterin, sah sich plötzlich mit einer Strafanzeige wegen Verrats von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) konfrontiert. Der Vorwurf? Sie habe in einem familienpsychologischen Gutachten Informationen aus Gesprächen weitergegeben, die sie im Rahmen ihrer Untersuchung erhalten hatte.
Auf den ersten Blick klang das schwerwiegend. Doch wer sich die Akte genauer ansah, erkannte schnell: Hier ging es wohl weniger um Geheimnisschutz als um eine missliebige Einschätzung im familienrechtlichen Verfahren. Die Anzeigeerstatterin – Mutter eines betroffenen Kindes – war mit dem Gutachten unsererMandantin nicht einverstanden. Anstatt die Einschätzung nur sachlich oder auf fachlicher Ebene anzufechten, wurde der strafrechtliche Holzhammer ausgepackt. Ein klassischer Versuch, eine unliebsame Expertise aus dem Verfahren zu drängen.
Doch so funktioniert das Recht nicht. Und genau deshalb wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft folgerichtig und wie von Rechtsanwalt Mathias Klose beantragt nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt – mangels Tatverdachts.
Die Anzeige ruhte auf zwei wackeligen Säulen:
1. Wer darf überhaupt Strafanzeige stellen?
Nicht jeder, der sich irgendwie betroffen fühlt, ist automatisch berechtigt, einen Strafantrag zu stellen. § 203 StGB schützt das Geheimnis eines bestimmten Berechtigten – und das war hier eben nicht die Anzeigeerstatterin. Sie war weder Geheimnisberechtigte noch Anvertrauende der beanstandeten Informationen. Strafantragsberechtigt wären allenfalls das Kind oder der Vater gewesen – aber nicht die Mutter, die hier auf eigene Faust die Strafjustiz bemühte.
2. War das überhaupt eine strafbare Handlung?
Die Antwort: Nein. Meine Mandantin war gerichtlich bestellte Gutachterin. Ihre Aufgabe war es, ein fundiertes psychologisches Gutachten zu erstellen – und genau das hat sie getan. Die Weitergabe von Informationen an den Therapeuten des Kindes erfolgte im Rahmen dieses Auftrags und war zur Erfüllung ihrer Begutachtung erforderlich. Eine strafbare Handlung? Fehlanzeige.
Was bleibt?
Ein weiteres Beispiel dafür, dass das Strafrecht nicht als Waffe im familienrechtlichen Rosenkrieg missbraucht werden sollte. Zum Glück hatte die Staatsanwaltschaft hier einen klaren Blick und erkannte schnell, dass keine Verurteilungswahrscheinlichkeit bestand.
Für meine Mandantin war es dennoch eine belastende Erfahrung. Denn auch haltlose Vorwürfe können Ruf und Karriere gefährden. Umso wichtiger, dass sie sich entschieden zur Wehr gesetzt hat – und am Ende Recht bekam (Staatsanwaltschaft Regensburg - 203 Js 20369/24).